Denn Er hat Großes an uns getan…
Auf
einer gemeinsamen Fahrt im Oktober 2006 hörte ich zum ersten
Mal von den Chormitgliedern den Wunsch, wieder eine geistliche Abendmusik
zu in Angriff zu nehmen, so wie wir sie im Herbst 2005 schon einmal
gemacht hatten.
Ein Thema fiel mir sofort ein: Schon immer reizte
mich der Text des Magnificat, den man zwar kennt, mit dem ich mich
aber noch nie richtig befasst hatte. Auch hatte ich schon lange den
Wunsch, unterschiedliche Vertonungen dieses Textes zu erarbeiten.
Im November schon kam eine Vorbereitungsgruppe zustande, denen ich
meine Idee vortrug. Die Chormitglieder waren davon auf Anhieb angetan,
zumal ich ein Werk vorstellen konnte, das eine wirkliche Herausforderung
und natürlich auch ein großer
Anreiz für den Chor werden könnte: das Magnificat von Francesco
Durante für Chor, kleine Soli und Streichorchester. Diesmal
hatten wir allerdings für unsere Planung viel mehr Zeit, da
sich das Thema für die Adventszeit hervorragend eignete. Schnell
fielen uns weitere, kleine Werke zum gleichen Thema ein, die wie
beim ersten Mal mit Texten verbunden werden sollten. Durch die intensive
Vorbereitungsarbeit von acht Chormitgliedern und mir konnten wir
im Dezember schon dem Chor unser Vorhaben schmackhaft machen, was
begeistert aufgenommen wurde. Ab 6. Januar 2007 fingen wir an das
Durante-Magnificat zu proben. Gleichzeitig arbeiteten wir aber auch
an Eccards „Übers Gebirg Maria geht“ und an etlichen
kleineren Werken, so dass wir zu den Sommerferien die erste Probenphase
zuversichtlich beenden konnten. Außerdem war es wieder gelungen
Außenstehende für unser Projekt zu begeistern. Zehn neue
Sängerinnen und Sänger machten mit und nach den Sommerferien
konnten wir damit sagenhafte 61 Chor- und Projektmitglieder zählen.
Ein Chormitglied schrieb dazu: „DAS SCHAFFST
DU NIE! war der Gedanke nach den ersten Proben im Sommer: Jahrelang
nicht im Chor gesungen, dann mit einem halben Jahr "Verspätung" einsteigen
und dann auch noch so hoch (zum Teil). Dies hat sich dann gelegt,
als ich merkte, dass ich manche der Melodien in Teilen auch ohne
Noten z.B. auf dem Nachhauseweg gesungen habe. Da wurde mir dann
langsam klar, dass es doch zu schaffen ist. Manches mal kam ich ziemlich
müde zu Chorprobe (Wenn ich früh um 6.00 Uhr arbeiten muss,
ist der Tag doch sehr lang), aber mit ein wenig Konzentration hat
es dann immer wieder Spaß gemacht.“
Teils in geteilten Proben (Frauen- / Männerstimmen), teils
zusammen, ging es manchmal recht mühsam vorwärts. Zum Glück
hatten wir Unterstützung durch meine Frau, die sich immer wieder
problematischer Stellen annahm oder eine Gruppe stimmlich auf Niveau
brachte.
Ein anderes Chormitglied berichtet so: „Es machte Spaß,
Stück für Stück daran zu arbeiten. Manchmal hatte
ich das Gefühl, dass es für unseren Chor zu anspruchsvoll
sei; es gab viele Unsicherheiten vor allem bei den Einsätzen.
Würden die einzelnen Stimmen dieser Herausforderung gewachsen
sein?
Es war sehr hilfreich, dass wir getrennt probten, Frau Janich mit
den Männern und Herr Janich mit den Frauen, und wenn wir dann
wieder zusammen sangen, klang es schon wunderbar. Erst einige Wochen
vor der Aufführung wurden wir sicherer und die Vorfreude auf
unser Konzert wuchs und beflügelte uns, intensiv zu proben und
noch einen Samstag als Probentag einzusetzen.“
Ein anderes Chormitglied, das eigentlich nur
zum Projekt kommen wollte, stellte es so dar: „Als ich im Januar 2007 bei der
ersten Probe vom Magnificat-Projekt hörte, erschrak ich nicht
wenig, war ich doch auf Singen im Gemeindechor eingestellt, nicht
auf Mittun bei einem solchen Kunstwerk. Ich kann nur staunen, wie
sorgfältig Sie die Mosaiksteinchen im Lauf des Jahres von Probe
zu Probe mit uns zusammengesetzt haben.“
Vor
allem verlangte ich mit diesem Projekt den Tenören viel
ab, sollten sie doch ständig zwischen f und f’ singen.
Diese Höhen waren sie nicht gewohnt, wobei dazu noch eine Menge
anspruchsvolle Koloraturen zu meistern waren. Da kam mir die Idee
vier tiefe Altstimmen in den Tenor zu mischen. Das machte sich bezahlt,
da auf der einen Seite die Klangfarbe immer noch „tenorig“ war,
auf der anderen Seite aber die unerschwinglichen Höhen besser
gemeistert werden konnten.
Dazu ein Chormitglied: „Das ist zuviel für dich; das kriegst
du nicht hin!" So war damals der erste Gedanke. Dieser Durante
mit seiner zum Teil bestialisch hohen Tonlage, seiner Melismatik,
seinen Kantilenen, in denen man sich ständig verirrte; er stand
vor mir, wie ein schier unbezwingbares Bergmassiv. Die Skepsis dauerte
lange an. Sie wich erst einer gewissen Zuversicht, als die Übe-CD
vorlag, die dann doch einige Sicherheit gab. Zum Schluss machte das Üben
richtig Spaß.“
In dem Stück „Übers Gebirg Maria geht“ von
Johann Eccard sollte der Chor zum ersten Mal richtig 5-stimmig singen.
Das war gar nicht so einfach. Der Sopran, der sonst immer die höhere
Melodiestimme sang, musste jetzt umdenken. Es gab keine Melodiestimme
in dem Sinne, sondern mehrere Stimmen übernahmen alternierend
die Melodie.
Die normalen Singtermine in der Gemeinde mussten zwar reduziert werden,
trotzdem gestalteten wir einige Gemeindemessen, um den Kontakt nicht
zu verlieren. Aber die Adventszeit näherte sich sehr schnell
und dann war sie plötzlich da.
Dazu wieder ein Chormitglied: „Die
Adventszeit ist durch die Konzertvorbereitung für mich sehr
viel intensiver geworden. Die Idee mit der Übe-CD fand ich
sehr gut. Bei den ersten Stücken
konnte ich ja auch bald mitsingen. Aber die Übeversion für
das Magnificat von Durante war ja zunächst eine völlige Überforderung
für mich. Ich bekam nur einige wenige Zeilen mit und Mitsingen?
Völlige Fehlanzeige. Viel zu schnell. Entnervt gab ich auf.
Später nahm ich es mir noch einmal vor. Nachdem ich mir die
Stücke einige Male einfach nur angehört hatte, bekam ich
langsam einen Zugang dazu – und konnte mir einiges damit erschließen.
Aber ehrlich gesagt hat mir die Übeversion zu den ersten Stücken
besser gefallen. Gefallen hat mir natürlich auch die herzliche
Aufnahme im Chor. Und dass bei allem Probenernst immer wieder Raum
für ein scherzhaftes Wort ist.“
Zur Generalprobe sah der Chor
zum ersten Mal „sein“ Orchester
und unseren „alten“ Bekannten, Prof. Wolfgang Bretschneider,
der dankenswerterweise wieder den Orgelpart übernommen hatte.
Die beiden Solistinnen, Anja Paulus und Gabriele Janich, hatten schon
vorher ihre Duette geprobt und waren gut vorbereitet. So konnten
wir alles in drei Stunden auf den Punkt bringen.
Und dann war der große Tag da …! Der Chor bot nicht
nur eine großartige Leistung (er übertraf sich selbst!),
sondern auch noch ein schönes Bild. Mit den blau-lila Schals
der Frauen war der Anblick auch dem Anlass und Thema angemessen.
Wer sich vor unserer Geistlichen Abendmusik ein wenig weiterbilden
wollte, konnte im theologisch fundierten Artikel über das Magnificat
von unserem Chormitglied Alois Stuhldreher eine Menge über und
um die Textstelle erfahren. Ganz schlicht begann es mit dem einstimmigen
Gesang der Choralschola, die nur von kurzen Orgelstücken unterbrochen
wurde.
Bald durfte auch die Gemeinde aktiv einsteigen, weil immer wieder
der Ablauf durch gemeinsame Kirchenlieder zum Mitsingen unterbrochen
wurde. Dann noch die wunderbar anschaulichen zeitgenössischen
Texte, die durch Gerd Verhoeven rezitiert wurden.
So reihte sich Glied um Glied in immer konzentrierter werdenden Kreisen
bis zum Höhepunkt, dem etwa viertelstündigen Magnificat
von Francesco Durante, das von den Zuhörern enthusiastisch aufgenommen
wurde. Der Chor wuchs an diesem Abend über sich hinaus, schien
beflügelt und konnte mit Recht stolz sein auf seine Leistung.
Die Tempi, dem Stück angemessen, konnten aufgrund der guten
Vorbereitung gut bewältigt werden.
Es war schon ein spannendes
Jahr 2007. Manchem kam es natürlich
sehr lang vor, und die sezierenden Wiederholungen immer gleicher
Stücke erforderten von allen Beteiligten ein großes Maß an
Durchhaltevermögen. Trotzdem hat die Freude am eigenen Tun nie
den kürzeren gezogen, nein, im Gegenteil: Selten waren Proben
so aufgelockert, spaßig und spannend zugleich. Letzten Endes
kann ich sagen, dass der Chor an dieser Arbeit gewachsen ist, einfach
durch sein konzentriertes Singen und die Freude an der Musik und
am gemeinsamen Tun.
Bernhard Janich
Hier können
Sie das Textheft zur geistlichen Abendmusik als PDF (700KB) herunterladen.